Vorsicht bei der „Androhung“ von Krankheit
Anmerkung zu: Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.07.2020, Az.: 8 Sa 430/19
Sachverhalt:
Zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber bestand seit ca. Mitte 2018 ein Arbeitsverhältnis, innerhalb dessen es zwischen den Parteien seit dem Frühjahr 2019 vermehrt zu Spannungen kam. Der Arbeitgeber stellte den Arbeitnehmer daraufhin zunächst für wenige Tage von der Arbeit frei und forderte ihn dann in einem Telefonat auf, am darauffolgenden Arbeitstag zu einem „Abstimmungsgespräch“ wieder am Arbeitsplatz zu erscheinen. Dabei stellte der Arbeitgeber auch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages in den Raum. Der Arbeitnehmer reagierte, indem er erklärte, er könne „ja noch krank werden“. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber noch am selben Tag mit schriftlicher Kündigung das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Am darauffolgenden Arbeitstag erschien der Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz und meldete sich arbeitsunfähig krank. In dem Kündigungsrechtsstreit gab er an, der Erhalt der Kündigung habe ihn gestresst, sodass er einen Arzt aufsuchen musste, der ihn – unstreitig – für die nächsten Tage arbeitsunfähig krankschrieb. Das Arbeitsgericht hat in der ersten Instanz die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgte der Arbeitnehmer seinen Antrag weiter – ohne Erfolg.
Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine außerordentliche fristlose Kündigung im Grundsatz gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer einer Weisung des Arbeitgebers mit der Drohung entgegentritt, sich krankschreiben zu lassen. Unerheblich sei dabei, ob der Arbeitnehmer später tatsächlich erkrankt oder ob die Weisung rechtswidrig war, denn die kündigungsrelevante Nebenpflichtverletzung bestehe in der Art und Weise des Vorgehens des Arbeitnehmers. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen sah das Landearbeitsgericht vorliegend als erfüllt an.
Dabei stützte es sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Äußerung noch nicht bestehenden Erkrankung für den Fall, dass der Arbeitgeber einem Verlangen des Arbeitnehmers (z.B. auf Urlaubsgewährung) nicht entsprechen sollte, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt; dies gilt ohne Rücksicht auf eine später möglicherweise tatsächlich auftretende Krankheit. Grund dafür soll sein, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt, dass er notfalls bereit sei, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Mit einem solchen Verhalten verletze der Arbeitnehmer seine aus der Rücksichtnahmepflicht folgende Leistungstreuepflicht erheblich (BAG 12.03.2009 – 2 AZR 251/07; 17.06.2003 – 2 AZR 123/02).
Der Arbeitnehmer – so das Landesarbeitsgericht weiter – habe eine erhebliche Pflichtverletzung begangen, als er drohte, sich krankschreiben zu lassen, sollte der Arbeitgeber ihn zum Erscheinen am Arbeitsplatz am nächsten Arbeitstag anweisen. Denn der Arbeitnehmer habe dadurch versucht, den Arbeitgeber von der Weisung zum Erscheinen am Arbeitsplatz abzubringen, indem er eine unberechtigte Krankschreibung in Aussicht stellte. Der Arbeitnehmer habe mit der Art und Weise seines Verhaltens eine Nebenpflichtverletzung begangen. Dabei sei es unerheblich, ob der Arbeitnehmer nach seiner Drohung tatsächlich am darauffolgenden Arbeitstag krank wurde oder nicht. Ebenso, ob der Arbeitgeber zu der Weisung befugt war. Denn es habe dem Arbeitnehmer freigestanden, sich der rechtswidrigen Weisung auch ohne den Ausspruch von Drohungen zu widersetzen, also dem Arbeitsplatz schlicht fernzubleiben oder gegen die Weisung den Rechtsweg zu beschreiten.
Im Ergebnis stellte das Landesarbeitsgericht wie bereits das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung fristlos mit deren Zugang aufgelöst wurde.
Fazit und Praxishinweis:
Arbeitnehmer sollten sich davor hüten, dem Arbeitgeber mit dem „krank werden“ zu drohen. Selbst wenn sie dann tatsächlich krank werden oder die ausgesprochene Weisung des Arbeitgebers unwirksam ist, haben sie nach der Entscheidung der Rechtsprechung eine erhebliche Pflichtverletzung begangen. In jedem Fall ist der Eindruck zu vermeiden, der Arbeitnehmer wolle sich durch „Drohung“ einen unberechtigten Vorteil verschaffen, denn dies verletzt nach der Rechtsprechung die aus der Rücksichtnahmepflicht folgende Leistungstreuepflicht erheblich. Um einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) zu vermeiden, sollten Arbeitnehmer daher entweder unter Vorbehalt der Weisung folgen oder die Weisung arbeitsgerichtlich überprüfen lassen.
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